"Kim Jiyoung, Geboren 1982" Review & Leseempfehlung

Moin, es ist an der Zeit, heute möchte ich dir eines meiner absoluten Lieblingsbücher überhaupt vorstellen.
”Kim Jiyoung, Geboren 1982” von Cho Nam-Joo.
Im Podcast hatte ich bereits mehrfach kurz davon erzählt, allerdings können wir es dabei natürlich nicht belassen.
Nicht nur ist dieses Buch ganz wunderbar geschrieben, sondern hält dabei auch direkt der Gesellschaft den Spiegel vor. Zwei Dinge für die ich immer zu haben bin.
Bevor ich mich nun komplett in meinen Schwärmereien verliere, erstmal ein paar Eckdaten zum Buch.

Titel: "Kim Ji-Young Geboren 1982”*
Autor: Cho Nam-Joo
Verlag: KiWi (Kiepenheuer & Witsch)
Seiten: 208


Aber worum geht es in diesem Roman überhaupt?


Kurz gesagt geht es um das Leben von Kim Ji-Young, einer Frau Mitte/Anfang 30, verheiratet, die gerade zum ersten Mal Mutter geworden ist und deshalb ihre Karriere vorzeitig beenden muss um Hausfrau zu werden.
Kim Ji-Young steht damit für DIE Durchschnittsfrau ihrer Generation. Deshalb trägt sie bewusst auch den, in ihrem Geburtsjahr, beliebtesten Vornamen und häufigsten Nachnamen. Sie ist sozusagen eine Julia Müller.
Hauptthema der Geschichte ist allerdings, das Ji-Young aus scheinbar unerklärlichen Gründen den Verstand zu verlieren scheint und nicht mehr sie selbst ist. Dabei erfahren wir in vielen kleinen Episoden, Details und Erlebnisse aus Kindertagen, aber auch ihrer jüngsten Vergangenheit, die ein sehr deutliches Bild zeichnen. Ohne jedoch direkt mit dem Finger drauf zu zeigen. Denn es gibt einen kleinen, aber äußerst reißfesten roten Faden, der sich durch all ihre Erlebnisse zieht. Das Patriarchat und seine Auswirkungen auf Frauen.

Wir reisen mit ihr in ihre Kindheit und sehen mit an, wie sowohl sie als auch ihre ältere Schwester immer zurückstecken müssen, zugunsten des kleinen Bruders. Genauso wie es auch schon ihre Mutter vor ihnen tat. Wir sehen Ji-Young wie sie als Teenagerin belästigt wird, später an der Uni dann nicht Ernst genommen und später im Job nicht nur benachteiligt wird, sondern wie Kolleginnen sogar belästigt werden. Wir sehen sie später mit Kind, gezwungen ihre Karriere aufzugeben und doch genau dafür von der Gesellschaft geächtet oder belächelt zu werden.
Und wer genau liest, sieht seine eigenen Freundinnen, Mütter, Kolleginnen und auch sich selbst in all den Erzählungen von Kim Ji-Young. Denn beim Lesen fällt einem schnell auf, das hat man zum Großteil alles so schon selbst zu oft erlebt oder bei anderen gesehen.

Mein Fazit

Es dürfte euch wenig überraschen, das “Kim Ji-Young, Geboren 1982*” eines meiner absoluten Lieblingsbücher ist und zu den wenigen gehört, die ich immer wieder lesen kann. Wenigstens einmal im Jahr nehme ich es wieder in die Hand und tauche in diese so wundervoll nüchtern geschriebene Welt von Ji-Young ein. Denn eben die Tatsache das die Autorin so nüchtern und fast sachlich über all die Erlebnisse von Ji-Young schreibt, macht das Buch so besonders. Denn die Themen und Vorkommnisse an sich sind ja eigentlich sehr emotional und persönlich, was ja gerade Frauen immer wieder bei Diskussionen ums Patriarchat, und alles was dazu gehört, vorgeworfen wird. Sie seien zu emotional.
Genau das macht dieses Buch meiner Meinung nach zu einem eindrucksvollen Meisterwerk, das wirklich jeder mal gelesen haben sollte.

Wirkung in Korea

Doch nicht nur bei mir hat Cho Nam-Joo mit ihrem Werk mächtig Eindruck hinterlassen.
Als der Roman 2016 erschien, war die #MeToo Bewegung gerade im vollen Gange und auch das Problem mit Molka 몰카 (Spycams) rückte langsam immer mehr in die Öffentlichkeit. Dies war natürlich der ideale Nährboden für den Erfolg ihres Buchs.
Im konservativen Korea gilt Feminismus größtenteils immer noch als etwas schlechtes und das Wort “Feministin” wird gerne noch als Schimpfwort genutzt. Entsprechend hoch, waren also auch die Wellen die Kim Ji-Youngs Geschichte geschlagen hat.
Berühmte Frauen die das Buch bewarben oder auch nur im Ansatz positiv erwähnten, wurden online mit massivem Hass überschüttet, was nicht wenige dazu bewogen hat, sich öffentlich zu entschuldigen und/oder sich vom Feminismus zu distanzieren.
Interessanterweise wurden männliche Politiker oder andere männliche Personen des öffentlichen Lebens dafür nicht kritisiert, sondern zum Teil sogar gelobt. Einen schönen Überblick dazu findest du in diesem Artikel oder hier im The Korea Herald.
Gerade aus der Ecke der “Männerrechtsbewegung” gab es sehr viel Kritik und Hass als Reaktion auf das Buch. Es sollte sogar ein “Konter-Buch” erscheinen mit dem Titel “Kim Ji-hun geboren 1990”, in dem sie auf die vermeintliche umgekehrte Diskriminierung aufmerksam machen wollten, von der koreanische Männer betroffen seien.

Die Verfilmung von Kim Ji-Young in 2019, hat die Debatte dann erneut angeschürt und wieder für viele Schlagzeilen gesorgt. Unter anderem berichteten einige jungen Frauen auf Social Media, das ihre Partner ihnen mit Trennung drohten, sollten sie sich den Film anschauen. Für den Preis eines Kinotickets haben diese Damen also quasi eine Clown Show gratis bekommen.
Der Film selbst, hat mir auch sehr gut gefallen und wurde sogar um ein paar neue Szenen erweitert, welche die Geschichte noch mehr abrunden.
Außerdem muss ich hier noch besonders hervorheben das der großartige Gong Yoo die männliche Hauptrolle übernommen hat. Was ihn einmal mehr noch sympathischer macht.

Abschließend kann ich wirklich nur wiederholen, das ich jedem von euch das Buch wärmstens ans Herz lege. Zeitgleich mit dem Taschenbuch von Kim Ji-Young ist im letzten Jahr aber auch eine neue Sammlung von Kurzgeschichten, mit dem Titel “Miss Kim weiß Bescheid*”, von Cho Nam-Joo erschienen. Auch hier befasst sie sich wieder mit dem Leben der Frauen, aber natürlich bekommst du auch zu diesem Buch eine Rezension von mir.